von Dr. jur. Otto C. Carlsson
Inhaltsübersicht:
Das Werden und Wachsen eine Ortes bestimmt sich vornehmlich aus Landschaft und Lage. Aber auch die Menschen, die hier über Jahrhunderte gewirkt und gestaltet haben, prägen das Aussehen und Wesen eines Ortes und damit das, was wir unter historischer Entwicklung, also Ortsgeschichte verstehen. Dieses Zusammenwirken bestimmt das unverwechselbare eigene Gepräge einer Ansiedlung, also den Charakter eines Ortes und dessen Ausstrahlung als Heimat, aber auch als Bindung und Einbindung in einen einmaligen Raum.
Zu wissen, wo ich herkomme ist eine wesentliche Voraussetzung für das Wissen wohin ich will. Wenn ich mich identifizieren kann mit dem, was mich geprägt hat, dann kann ich auch mit der nötigen Selbstsicherheit eigene Kräfte entwickeln und freisetzen. Das alles aber bedingt zu wissen, woher ich komme, was meinen Lebensraum geprägt hat und damit meine ureigene persönliche Lebensanschauung.
Deshalb hat der Beirat Borgfeld vor mehreren Jahren beschlossen, den Bürgern Borgfelds - den alten wie auch insbesondere den neuen - die geschichtliche Entwicklung des Ortes bewusst zu machen und hat an historisch bedeutsamen Orten der Gemeinde Tafeln aufgestellt, die durch einen erläuternden Text auf diese Besonderheiten hinweisen und darlegen, wie was einmal gewesen ist und warum diese Entwicklung so und nicht anders verlaufen musste.
Diese Texttafeln sind dankbar angenommen worden. Die Hoffnung und Erwartung allerdings, sie könnten auch für Beiräte in anderen Teilen unserer Stadt beispielgebend sein, hat sich nicht erfüllt und damit auch nicht die Möglichkeit, im Laufe der Jahre in ganz Bremen ein flächendeckendes Netz von Geschichtsmerktafeln vorzufinden. Bisher sind in Borgfeld insgesamt zwölf Tafeln aufgestellt worden. Es sind dieses:
Dieses Gelände war bis zum Jahre 1818 Sitz des Ratsrichters und der Mittelpunkt des Dorfes Borgfeld.
Die ursprüngliche Kötnerei wurde zum Wohnsitz der Grundherrenfamilie von der Lith. Er wurde 1595 zusammen mit dem halben Gericht Borgfeld an den Bremer Rat verkauft. Von da ab Sitz des Ratsrichters. Er war der Vertreter des Bremer Senats.
1819 Verkauf in Privathand als Gastwirtschaft und Bäckerei. 1870 Anbau eines Saals mit Ausmalung im Jugendstil. Wurde unter dem Namen „Ratsspieker" ein weit über Borgfeld hinaus bekanntes Tanzlokal und ein äußerst beliebter Treffpunkt für Wassersportler, weil die Wümme bis 1949 unmittelbar hinter dem jetzigen Ehrenmal verlief. Im Jahre 1962 wurde das Anwesen abgebrochen.
Im alten Ratsspeicher (Ratsspieker), der an der Stelle des jetzigen Ehrenmals (1962 vom Eingang zum Kirchhof hierher versetzt) stand, wurden zur Zeit der Grundherrn die Naturalabgaben gelagert. Er wurde 1960 abgebrochen.
Im vorderen Teil des Parks Büste des bedeutenden Bremer Bürgermeisters Wilhelm Kaisen (1887-1979). Er wohnte in Borgfeld (Katrepel) und hat im Jahre 1978 u.a. auch die Linde in der Mitte des Parks gepflanzt (Kaisen-Linde).
An der Straße stand bis 1974 das über 300 Jahre alte, letzte Rauchhaus (Haus mit offenem Herdfeuer ohne Schornstein). In ihm wohnte die „Totenfrau" und der Dorfbote.
Im Jahre 1281 erster Hinweis auf eine Kirche in Borgfeld, um 1465 auch auf einen Pastor (Kirchenherrn).
Ab 1534 reformiert. Im 30jährigen Krieg durch kaiserliche Truppen stark zerstört (1627).
Heutiges Kirchenschiff und Turm von 1896, umgebaut und verändert 1927, renoviert 1985. Kanzel von 1780 aus der kriegszerstörten St-Pauli-Kirche in Bremen.
Erbaut 1741 noch mit Stallteil für die landwirtschaftliche Nutzung durch den Pastor. 1964 umgebaut zur Küsterwohnung und für Gemeindezwecke.
Auf diesen, noch heute in Privatbesitz befindlichen Gelände stand bis zum Jahre 1973 eines der ältesten baugeschichtlichen Zeugnisse Borgfelds: der im Jahre 1583 auf dem Platz einer früheren Kötnerei errichtete Gutshof, der „Brandenhof", benannt nach der Familie Brand. Für Generationen war er als Wohnsitz der Erbrichter und der bremischen Ratsrichter der tonangebende Mittelpunkt des Dorfes.
Die Gesamtanlage wurde von einem Wassergraben mit Zugbrücke umschlossen, spätere Eigentümer waren die Familien Holler und Noltenius
Seit 1583 stand auf diesem Grundstück das Haus des Vogts. Sie hatten als Vertreter der Obrigkeit u.a. die Abgaben einzuziehen, das Gerichtswesen zu überwachen und das Gefängnis zu beaufsichtigen sowie für die Sicherheit der Deiche und die Reinhaltung der Gewässer zu sorgen. Sie regelten auch die Einquartierungen sowie die Hand- und Spanndienste. Der Vogt durfte abgabenfrei eine Hofstelle (Meierstelle) bewirtschaften und einen Ausschank betreiben. Er hatte eine „Kruggerechtigkeit". Vögte gab es in Borgfeld bis 1877. Dieses Amt wurde fast 200 Jahre lang verwaltet von der Familie Schleper.
Erbaut im Jahre 1938 von dem Architekten Eberhard Gildemeister (1897-1978) für den Bremer Kaufmann Fritz Kellner (1878-1949) an der Stelle eines hölzernen Sommerhauses aus dem Jahre 1905.
Von 1950 bis 1994 Sitz des Chefs des Hauses Hohenzollern, vormals regierendes Preußisches Königshaus, Dr. phil., Dr. h.c. Louis Ferdinand Prinz von Preußen (1907-1994) und seiner Gemahlin Kira, Großfürstin von Russland (1909-1967) sowie ihrer sieben Kinder.
Erbaut 1960 als Wohnhaus mit Hausmeisterwohnung und Stallungen für den Reeder und Schiffsmakler Helmut Parchmann (geb. 1917) von dem Bremer Architekten Eberhard Gildemeister (1897-1978) unter dem Namen „Wikingborg". Später umgebaut zu Eigentumswohnungen und unter Denkmalschutz gestellt.
Hier soll der Bremer Erzbischof Johann Rode (1497-1511) das grundherrenfreie Erbgut „Auf der Burg" besessen haben. Nach verschiedenen Besitz- und Eigentumswechseln kaufte im Jahre 1878 der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz (geb. 1834, verschollen 1886) diesen größten Hof in Borgfeld und Katrepel und errichtete in einem, von Wilhelm Benque, dem Schöpfer des Bremer Bürgerparks, entworfenen Park ein Herrenhaus, das er Kattenborg nannte. Späterer Eigentümer war die Familie von Lingen („Von Lingensches Herrenhaus"). Das Haus wurde 1935 für einen modernen Neubau umgestaltet, die Ländereien entlang der Straße „Upper Borg" wurden aufgesiedelt („Siedlung Katrepel").
Erbaut 1825 von Friedrich Geerken, Sohn des Windmüllers von der Warf. Im Nebengebäude bis 1918 Lohnwäscherei mit Trockenboden und Bleiche.
Wohnhaus des Albert Bischof (1831-1904). Vorsteher der einstmals eigenständigen Gemeinde Katrepel (1878-1888) und erster Vorsteher der neu gegründeten Samtgemeinde Borgfeld (1888-1903).
Eines der 30 Siedlungshäuser, mit deren Bau im August 1933 auf den Flächen des aufgelassenen von Lingenschen Gutes „Kattenburg" begonnen wurde. Diese Häuser mit einem Wohn- und Stallteil unter einem Dach wurden von den Siedlern - darunter Alt-Bürgermeister Wilhelm Kaisen - zusammen mit den Außenanlagen und den Straßenanschlüssen weitgehend in Gemeinschaftsarbeit hergestellt.
Heute ist die Siedlung ein bevorzugtes Wohngebiet in Bremen.
Auf dieser Siedlerstelle wohnte der Präsident des Bremer Senats und Bürgermeister Wilhelm Kaisen (1887-1979) mit seiner Familie von 1933 bis zu seinem Tode. Seit 1928 gehörte er dem Senat an, 1933 wurde er seines Amtes enthoben. Hier überstand er die Zeit, bis er 1945 von der Militärregierung zum Bürgermeister berufen und später gewählt wurde. Dieses Amt hat er bis zum Jahre 1965 ausgeübt.
Er zählt zu den großen Staatsmännern seiner Zeit, dem Bremen seinen Wiederaufbau verdankt.
In den Jahren 1955 bis 1957 erbauten bäuerliche Vertriebene und Flüchtlingsfamilien aus den ehemaligen deutschen Ostprovinzen und aus Bessarabien in diesem Teil Borgfelds auf ehemaligem Ackerland mit der Unterstützung des Landwirts und Siedlungsbeauftragten Erhard Rudolph (19041987) 240 neue Siedlungshäuser.
Jede Familie erwarb ein Grundstück groß genug für eine nebenerwerbliche landwirtschaftliche Betätigung sowie ein Haus und einen Stall für eine Kuh und ein Schwein. Neben einer finanziellen Beteiligung mussten die Siedler viel Eigenleistung beim Straßen- und Hausbau erbringen.
Später wurden die hinteren Bereiche dieser zumeist schmal und lang geschnittenen Siedlerstellen häufig unterteilt und ebenfalls bebaut.
Aber auch die alten Borgfelder Höfe würden eine besondere Aufmerksamkeit verdienen. Für den Jacobs Hof ist folgende Legende vorgeschlagen, aber nicht realisiert worden, der andere folgen sollten.
Die Familie Jacobs ist in Borgfeld nachweisbar ab 1581. Jacob Jacobs. (1866-1952) war hier Gemeindevorsteher von 1923 bis 1929. Sein jüngerer Bruder Johann Jacobs (1869-1958) gründete 1895 das Kaffee- und Tee-Handelshaus Jacobs Kaffee.
Dieses, in Borgfeld begonnene Lebenswerk hat wesentlich zur Stärkung Bremens als Einfuhr- und Verarbeitungsstandort für Kaffee beigetragen.
Im Jahre 1997/1998, nach dem Tode von Annemarie und Daniel Jacobs wurde der Hof umgebaut als Wohnanlage mit Stiftungscharakter, Johann Jacobs Stiftung.
Erwähnenswert ist aber auch der Jahrhunderte alte Wümmeübergang beim Borgfelder Landhaus und das Schicksal dieser Gaststätte als Brückenausspann und Zollhaus auf dem Weg nach Bremen und auf der Grenze zu Preußen/Niedersachsen. Die Gaststätte ist mindestens seit 1625 oder 1644 nachweisbar und der Wümmeübergang noch aus einer Zeit, da es hier keine Brücke, sondern auf dem Weg ins Teufelsmoor lediglich eine Furt gegeben hat. Wann die erste Brücke errichtet worden ist, lässt sich nicht sicher nachweisen.
Die Vielfalt der historischen Abläufe kann auch an dem abgelesen werden, was zur Verschönerung des Ortes beigetragen worden ist, wie beispielsweise die Skulptur
Einfacher zu deuten und zu erklären ist die Gruppe.
Diese Plastik wurde von dem Bremer Bildhauer Claus Homfeld geschaffen und im November 2002 neben dem Gebäude der Sparkasse aufgestellt und zwar auf initiative des Vereins „Bürger für Borgfeld", der sich zusammengefunden hatte, um die Bebauung von Borgfeld
Ost und West abzuwenden und der sich dann wieder aufgelöst hat. Seinem Restvermögen und wegen seiner heimatgeschichtlichen Bedeutung auch einem kräftigen Zuschuss der Stiftung „Wohnliche Stadt" ist diese Erinnerung an den einstmals bäuerlichen Charakter Borgfelds zu verdanken.
Diese Plastik wurde von dem Bremer Bildhauer Claus Homfeld geschaffen und im November 2002 neben dem Gebäude der Sparkasse aufgestellt und zwar auf initiative des Vereins „Bürger für Borgfeld", der sich zusammengefunden hatte, um die Bebauung von Borgfeld
Ost und West abzuwenden und der sich dann wieder aufgelöst hat. Seinem Restvermögen und wegen seiner heimatgeschichtlichen Bedeutung auch einem kräftigen Zuschuss der Stiftung „Wohnliche Stadt" ist diese Erinnerung an den einstmals bäuerlichen Charakter Borgfelds zu verdanken.
Sogar die öffentliche
hat ihre besondere Geschichte, weil sie dem Bürgerverein Borgfeld gehört, der sie Mitte 2003 als Geschenk von den vier Baugesellschaften, die Borgfeld Ost und West errichten, erhalten hat. Auch hier hat die Stiftung „Wohnliche Stadt" mitgeholfen, eine Finanzierungslücke zu schließen.
in dem vornehmlich die Sammlungen des verdienten Borgfelder Architekten und Heimatforschers Wilhelm Dehlwes zusammengefaßt und der Öffentlichkeit und auch der Forschung zugänglich gemacht worden sind. Die Räume sind im ehemaligen Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr Borgfeld nach deren Umzug in einen Neubau weitgehend in Eigenarbeit des Bürgervereins für den neuen Zweck umgebaut worden.
Als Archiv ist auch die alte Scheune auf der ehemals landwirtschaftlich genutzten Siedlerstelle des Alt-Bürgermeisters Wilhelm Kaisen im Rethfeldsfleet umgebaut worden zu einer
Sie wird betrieben von der 1995 errichteten Wilhelm und Helene Kaisen Stiftung mit dem Ziel: das Andenken an das Wirken und die Leistungen Wilhelm Kaisens und seiner Frau Helene für die Freie Hansestadt Bremen und deren Bürgerinnen und Bürger der Nachwelt zu erhalten.